Loslassen und vergeben
Wenn ich nicht gerade im Gerichtssaal sitze oder das heilige Innehalten praktiziere, lese ich gerne mal ein Buch. In einem fand ich etwas besonders schönes:
Zwei ehemalige Strafgefangene, die vor vielen Jahren von ihren Wärtern gequält und misshandelt worden sind, treffen sich. Der eine fragt:"Und? Hast du unseren Peinigern vergeben?", worauf der andere antwortet:" Niemals! Wie könnte ich denen vergeben?" Daraufhin gibt der erste den Kommentar:" Dann halten sie dich also immer noch gefangen!"
Freitag, 16. November 2012
Neuer Stern am Blogger- Himmel
Der Kollege Stefan Wolter aus Hamburg sitzt in der Fortbildungsveranstaltung nicht nur neben mir, sondern berichtet, angestiftet von mir, hier künftig aus seinem Leben als Steuerrechtsexperte und Steuerstrafverteidiger.
Bin weg zur Erholung
Nach drei Verhandlungstagen in dieser Woche vor der großen Strafkammer, bin ich heute morgen nach Berlin gefahren und sitze nun in der Fortbildungsveranstaltung im Steuerstrafrecht.
Dauert zwei Tage, Früsückspause war schon, Mittagessen gibts ab 13.15 Uhr. Das ist ein bißchen spät für einen wie mich, der nicht aus Südeuropa stammt, aber dann ist die Zeit bis zum Abendbrot nicht mehr so lang. Die Rechtssprechung des BGH zum Steuerstrafrecht macht mich froh, dass ich nur ein einfacher Anwalt und nicht etwa ein erfolgreicher Sportler, Unternehmer oder Künstler bin, der zwar keinen Dank erhält für die Million, die er jährlich an Einkommenssteuer zahlt, sondern am liebsten aufgehängt werden sollte für die 10.000 €, die er mal vergessen hat.
Donnerstag, 04. Oktober 2012
Richter arbeitet nicht wie ein Beamter
Vorgestern um 9.00 Uhr habe ich mit meinem Mandanten beim Richter der hiesigen Strafvollstreckungskammer gesessen, um über seine Entlassung zum 2/3 Zeitpunkt, der auf übermorgen notiert war, zu sprechen. Gegen 9.30 Uhr waren wir fertig, mein Mandant wurde von seinem Vater zurück in die JVA gefahren. Am Nachmittag des selben Tages erhielt ich vom psychologischen Berater meines Mandanten die Nachricht, dass der Mandant bereits aus der JVA entlassen sei.
Da hat der Richter die Sache nicht etwa in den normalen Geschäftsgang gegeben, mit dem Ergebnis, dass die Entlassung irgendwann in der kommenden Woche vonstatten gegangen wäre, sondern per Fax oder wie auch immer, die sofortige Freilassung angeordnet - vorbildlich.
Freitag, 17. August 2012
Hilfe für Gefangene und deren Angehörige
...bietet mein Kooperationspartner und Namensvetter
Olaf Drews, psychologische Beratungspraxis, Goslarsche Str. 38, 38685 Langelsheim, Tel.: 05326-5271038
E-mail: drews.praxis@ googlemail.com.
Herr Drews ist bundesweit kompetenter Ansprechpartner für Menschen, die im Gefängnis sitzen oder solchen, deren Angehörige im Knast sind und unterstützt mich bei der Verteidigung von Mandanten im Vollstreckungsverfahren. Dazu gehören Langzeitverbüßer und Sicherungsverwahrte.
Dienstag, 17. Juli 2012
Mit Rücksicht auf den bequemen Verteidiger
Normalerweise werden nach dem Schluss der Beweisaufnahme die sogenannten Plädoyers gehalten, und zwar im Stehen. Mal, meistens nach einer vorherigen Verständigung über das Strafmaß, sehr kurz, mal, insbesondere nach einer umfangreichen Beweisaufnahme, etwas länger. Anders gestern vor einem auswärtigen Landgericht in einer Berufungssache mit erstinstanzlicher Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe: Nachdem wir mit der Beweisaufnahme in der Betrugssache durch waren, ergriff der Vorsitzende das Wort, machte Ausführungen zum bisherigen Ergebnis der Verhandlung, guckte mich an mit den Worten " Sie beantragen Freisspruch?" Dann den Oberstaatsanwalt." Sie auch?". Das anschließende Ergebnis nach geheimer Beratung der Kammer kann sich jeder denken.
Dienstag, 26. Juni 2012
Das ging schnell
Mein Mandant ist wegen versuchten Mordes angeklagt und sitzt (noch) in Untersuchungshaft. Nachdem das zuständige OLG meine Haftbeschwerde verworfen hat, habe ich heute Vormittag den Vorsitzenden Richter angerufen und im Anschluss schriftlich beantragt, den Haftbefehl gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung (Kaution) in Höhe von 15.000 € außer Vollzug zu setzen, auch deshalb, weil mein Mandant ansonsten seine Arbeitsstelle, die er erst am Tag der Verhaftung angetreten hatte, verlieren würde.
Soeben, also wenige Stunden nach meiner Antragstellung, habe ich gerade den Beschluss erhalten, dass mein Mandant gegen Leistung der Kaution raus kommt.
Schön, dass das Gericht trotz Bestätigung durch das OLG, so schnell und so angenehm reagiert hat, insbesondere vor dem Hintergrund des angeklagten Tatvorwurfes.
Donnerstag, 19. Januar 2012
Bin abgestiegen
Heute liegt auf meinem Schreibtisch die Durchschrift eines Schreibens, welches ein Kollege, der meine Mandantin vertreten hat, bevor sie zu mir gewechselt ist, an die Staatsanwaltschaft geschickt hat.
Er schreibt: " ...teile ich mit, dass ich Frau XY nicht mehr vertrete."
Genauso wäre es richtig, aber auch ausreichend gewesen.
Dann geht es weiter:
"Der Grund dafür ist, dass der Co- Verteidiger (damit bin ich gemeint) eine andere Strategie durchführen möchte, mit der der Unterzeichner nicht einverstanden ist."
Überflüssig und interessiert keinen. Dass ich es mittlerweile zum Co- Verteidiger eines Mietrechtskollegen gebracht habe, spricht leider nur bedingt für mich.
Mittwoch, 18. Januar 2012
Wer fragt, der führt (nicht immer)
Nachdem im Verfahren wegen des Vorwurfes des versuchten Mordes an einem Gastronomen am 11. Verhandlungstag der Haftbefehl gegen meinen Mandanten und andere Mitangeklagte aufgehoben worden ist, bin ich grundsätzlich einigermaßen entspannt.
Heute sitze ich jedoch völlig genervt im Schwurgerichtssaal eines Landgerichts. Schuld daran, dass ich genervt bin, ist der Eine, der sonst nur eine Frage mit ein paar Unterfragen stellt. Der Vertreter des Nebenklägers fragt soeben seit vielen langen Minuten eine Zeugin, ohne dass ich den Sinn seiner Fragen erkenne. Lustig ist aber, dass das Bild, welches der Nebenkläger abgibt, immer düsterer wird durch die Schilderungen der Zeugin. Diese, völlig cool, untermauert auf die Fragen des Nebenklägervertreters die Fiesigkeit des Nebenklägers, die dieser vor der Tat (Messerstiche gegen ihn) gegenüber seinem Umfeld wohl an den Tag gelegt hat. So soll er sie dazu aufgefordert haben, sich arbeitslos zu melden, aber trotzdem in der Gaststätte seiner Lebensgefährtin zu arbeiten. Als sie zum Zahnarzt gehen wollte, habe sie erfahren, dass er sie abgemeldet und sie nicht mehr krankenversichert sei. Gewalttätigkeiten von ihm gegenüber seiner als Anstifterin angeklagten Ex-Lebensgefährtin habe sie beobachtet.
Das kommt vielleicht dabei heraus, wenn auf Seiten der Nebenklage ein Familienrechtler oder was auch immer sitzt, der ein Gen in sich zu tragen scheint, welches dazu führt, dass er meint, dass viel Fragen dem Mandanten auch immer viel hilft.
Dienstag, 15. November 2011
Prozess um versuchten Mord beginnt mit Verletzung des Persönlichkeitsrechts
Die mopo berichtet hier vom Prozessauftakt vor dem Landgericht Stade. Ich verteidige dort einen jungen Mann, dem vorgeworfen wird, mit anderen zusammen versucht zu haben, einen Gastwirt mit einem Messer zu töten. Die Anklage wurde verlesen, am kommenden Freitag geht es weiter.
Eben habe ich beim Gericht ersucht, einer anderen Zeitung zu untersagen weitere Aufnahmen von meinem Mandanten zu fertigen, weil sie ihn und andere Angeklagte im Gerichtssaal aufgenommen und das Foto unverpixelt ins Internet und wohl auch in die Printausgabe gestellt hat.
Donnerstag, 22. September 2011
Urteil im Parkplatzmord-Prozess
Marco S. muss lebenslang in Haft
Als Richter Wilfried Knieriem das Urteil für Marco S. verkündet, drücken die Eheleute R. ihre Hände aneinander. Lebenslang muss der Angeklagte, der Mörder ihrer Tochter Michaela, hinter Gittern. Das bedeutet mindestens 15 Jahre Gefängnis.
Weil die Schwurgerichtskammer der Landgerichts Braunschweig die besondere Schwere der Schuld festgestellt hat, ist für Marco S. die Chance auf Strafaussetzung zur Bewährung nach 15 Jahren gering. Womöglich wird er ein Fall für die Sicherungsverfahrung. Darüber werden die Richter zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden. Grund: Die diesbezüglichen Bestimmungen des deutschen Strafgesetzes müssen als Folge eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte neu geregelt werden.
"Für sie ist nicht jeglicher Weg in die Freiheit abgeschnitten", sagt Knieriem zu Marco S., der regungslos zuhört und vor sich ins Leere starrt. "Sie haben eine gewisse Chance, aber dafür müssten sie hart an sich arbeiten."
Eine Stunde dauert die Verlesung der Urteilsbegründung. "Endlich ist es vorbei", sagt danach Mann, der die Eltern des Opfers zum Ausgang aus dem Gericht begleitet, vorbei an zahlreichen Journalisten und mehreren Staatsanwälten – diese kamen aus Interesse zur Urteilverkündung in dem schlagzeilenträchtigen Prozess.
Ihr Kollege und Ankläger, Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe, hatte am Montag die Höchststrafe für Marco S. gefordert: lebenslang Haft wegen Mordes, besondere Schwere der Schuld, Sicherungsverwahrung. Die Anwälte von Marco S. hatten hingegen auf Totschlag plädiert. Die Tat sei nicht geplant gewesen, behauptete ihr Mandant.
"Ich habe dieses Urteil erwartet", sagt Olaf Johannes, einer der zwei Verteidiger des Angeklagten, nach dem Prozessende. "Es schien von Anfang an klar zu sein, dass die Kammer meinen Mandanten wegen Mordes verurteilen will und hat dementsprechend ihre Fragen gestellt", so der Anwalt, der ohne Unterton in der Stimme hinzufügt, möglicherweise habe das Gericht damit auch den Eltern des Opfers entgegenkommen wollen.
Johannes ist Spezialist für Revisionsrecht und kündigt an, er werde das Urteil gegen Marco S. aufmerksam lesen und wahrscheinlich vom Bundesgerichtshof überprüfen lassen. "Das Gericht hat erklärt, es lagen bei der Tat niedere Beweggründe vor. Unser Mandant war verzweifelt und wütend, dass er seinen Sohn nicht sehen durfte – das kann kein niederer Beweggrund sein."
von Hendrik Rasehorn (Wolfsburger Nachrichten)
Bleibt abzuwarten, was das Gericht in seiner schriftlichen Urteilsbegründung von dem, was der Vorsitzende mündlich vorgetragen hat, niederschreibt.
Dienstag, 20. September 2011
Staatsanwalt will Mandanten für immer wegsperren
Die Wolfsburger Allgemeine Zeitung berichtet hier über den sogenannten VW- Parkplatz- Mord und die gestrigen Plädoyers. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft verlaß sein 26- seitiges Schlusswort und forderte anschließend neben der lebenslangen Freiheitsstrafe, die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und Sicherungsverwahrung. Das Urteil wird morgen gesprochen.
Freitag, 09. September 2011
Verhandlung um Tötung auf VW- Parkplatz
Die Presse berichtet hier ausführlich vom vierten Prozeßtag des sogenannten "Parkplatz-Mordes"der vor dem Braunschweiger Landgericht verhandelt wird. Das Foto zeigt meinen schlanken Mitverteidiger Christian Wigger aus Lüneburg. Dahinstehen möge, dass gerade die Hauptverhandlung klären soll, ob es sich tatsächlich um Mord handelt, denn nicht jede rechtswirdrige Tötung ist automatisch ein Mord. Ein bißchen schade ist aber, dass die Vertreter der Presse, oftmals gar nicht verstehen, was die Verteidiger mit bestimmten Anträgen bezwecken und dies dann auch nicht immer so darstellen können oder wollen, dass der Leser in die Lage versetzt wird, bestimmtes Verteidigerhandeln nachvollziehen . So wohl auch in unserem Fall. Wenn beantragt wird, den kleinen Sohn der Getöteten als Zeugen zu vernehmen und das Gericht darauf hin einen in das Wissen des Kindes gestellten Sachverhalt als wahr unterstellt, ist das Ziel der Verteidigung erreicht und der Beweisantrag kann zurückgenommen werden.Spannend ist jedenfalls die Frage, warum eine Oberstaatsanwältin im Anschluss an eine Haftbefehlsverkündung einen Vermerk erstellt, der angebliche Äußerungen des nun Angeklagten enthält, die durchaus belastend sein könnten, wenn sie so gefallen wären, die auch in Gegenwart des Ermittlungsrichters abgegeben worden sein sollen, sich aber gerade nicht in dessen Protokoll wiederfinden. Wie es sich damit verhält, erfahren wir hoffentlich am Montag, wenn der damalige Ermittlungsrichter vernomen wird.
Autoüberführungen nach Polen ohne Fahrerlaubnis
Eigentlich sollte heute lediglich der auf meine weitere Beschwerde hin vom OLG neu gefasste (nun gewerbsmäßige Hehlerei statt gewerbsmäßigem bandenmäßigen Diebstahl) Haftbefehl verkündet werden. Die Anklage lag bereits vor und so verzichteten wir auf die Einhaltung von Einlassungs- und Ladungsfristen und hielten zusammen mit dem Mitangeklagten, seinem Verteidiger und der Dolmetscherin, die Hauptverhandlung ab, die eigentlich bereits für einige Wochen später terminiert war. Ich habe für meinen Mandanten, dem neben gewerbsmäßiger Hehlerei in zwei Fällen Fahren ohne Fahrerlaubnis vorgeworfen wurde, eine geständige Erklärung dahingehend abgegeben, dass er zwar nicht gewußt habe, dass die Autos zuvor geklaut worden sind, aber aufgrund der Umstände damit gerechnet hat. Die Bewährungsstrafe wurde rechtskräftig und mein Mandant nach zwei Monaten aus der U-Haft entlassen.
Mittwoch, 27. Juli 2011
Hochgradig-Beklopptes von der StA
Es gibt gute Staatsanwälte, es gibt schlechte Staatsanwälte und dann gibt es noch ihn.
Gute Staatsanwälte ermitteln in alle Richtungen. Kommen sie am Ende ihrer Ermittlungen zu einem hinreichenden Tatverdacht, klagen sie an, wenn nicht, stellen sie das Verfahren ein. So sieht es auch das Gesetz vor. Schlechte kümmern sich nur um belastende Momente und blenden die entlastenden aus.
Er aber bekommt einen Strafbefehlsentwurf gegen einen Busfahrer vom Gericht zurück, weil das Gericht nicht erkennt, dass der Busfahrer fahrlässig die Körperverletzung einer älteren Frau verursacht hätte, die in seinem Bus gestürzt war.
Lediglich die Gestürzte hatte angegeben, der Bus habe beschleunigt und dann stark abgebremst, weshalb sie hingefallen sei. Die anderen Zeugen hatten ein Abbremsen nicht bestätigt und auch kein außergewöhnlich starkes Beschleunigen.
In seinem Vermerk zur Fortsetzung des Verfahrens schreibt der Staatsanwalt, der Busfahrer hätte die 80 jährige Geschädigte im Rückspiegel wahrnehmen müssen und seine Fahrweise anpassen müssen, er habe aber derart scharf beschleunigt, dass die Geschädigte nicht mehr in der Lage war, sich festzuhalten. Aus eigener Erfahrung könne er nur bestätigen, dass sehr viele Busfahrer eine Fahrweise an den Tag legen, die aufgrund der starken Beschleunigung des abrupten Abbremsens als "sehr sportlich" bezeichnet werden kann.
Mit einer derartigen Einstellung kann man dann jeden Beschuldigten anklagen, weil es immer sehr viele Menschen gibt, die auch eine Straftat begehen.
Das Verfahren gegen meinen Mandanten wurde gemäß § 153 StPO zu Beginn der Hauptverhandlung eingestellt.
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